22.3.2023
-
Zwischenruf

Zum Niedergang der Credit Suisse

Zum Niedergang der Credit Suisse

Dienstag, 21.03.2023. Das vergangene Wochenende bedeutet für die Schweizer Bankenwelt eine große Zäsur. In einer konzertierten Aktion wurde die strauchelnde Schweizer Großbank Credit Suisse gerettet.

Die Konkurrentin UBS erklärte sich bereit, die Bank zu übernehmen – unterstützt von staatlichen Garantien des Schweizer Staates. In den Tagen zuvor gab es kritische Nachrichten über massive Probleme bei einigen US-Banken.

Solche Nachrichten aus den USA und der Schweiz können beunruhigen. Wie so oft verbreiten „Crash-Propheten“ über die sozialen Medienihre „Kassandra-Rufe“. Andere Medien schreiben von der „Bankenkrise 2.0“ und prognostizieren die nächste Finanzkrise. Daher möchte ich Ihnen einige Zeilen schreiben, um die aktuelle Entwicklung einzuordnen.

Nicht über einen Kamm scheren

Zuerst: Bei den Ereignissen in den USA und in der Schweiz handelt es sich um zwei unterschiedliche Phänomene: Einmal geht es um die Folgen des massiven Zinsanstiegs, ein anderes Mal um Vertrauen.

Zunächst in die USA: Die Silicon Valley Bank, eine mittelgroße Bank in den USA, war spezialisiert auf Startups und Technikunternehmen. Dieser Fokus führte dazu, dass das Geschäftsmodell einseitig ausgerichtet war. Es fehlt der Bank an Ertragsquellen, um gut mit den Einlagen ihrer Kunden zu arbeiten (z. B. Kreditvergabe). Deshalb legte die Bank die hohen Bareinlagen der Technikunternehmen in sichere (!) Anleihen, insbesondere US-Staatsanleihen, an. Da es für kurzlaufende Anleihen nur wenig Zinsen gab, wählte die Bank – und das war der Fehler – langlaufende Anleihen mit höheren Zinsen.

Die Tücken des Zinsanstiegs

Nun kam aber der bekannte massive Zinsanstieg. Solche Anstiege führen zu Kursrückgängen und temporären Wertverlusten bei Anleihen. Dies ist erstmal kein Problem, weil die Bank die Anleihen bis zur Fälligkeit halten kann und am Ende die zwischenzeitlichen Verluste wieder ausgeglichen sind. Aber die Bankguthaben der Kunden sind kurzfristige Forderungen. Als nun die Kunden ihre Einlagen sofort zurückhaben wollten, musste die Bank die Anleihen mit hohen Verlusten verkaufen. Das Eigenkapital war schnell aufgezerrt – die Bankenaufsicht musste eingreifen.

US-Regierung und US-Notenbank reagierten schnell, kompetent und richtig. Sie garantierten, dass das Geld der Anleger über den gesetzlichen Wert von 250.000 US-Dollar hinaus gesichert ist und somit die Einlagen vollumfänglich geschützt sind. Das beruhigte die Lage. Zur Erinnerung: Im Jahr 2008 sorgte ein ähnlich klares Statement von Frau Merkel und Herrn Steinbrück bei deutschen Sparern für Beruhigung.

Die Schweiz ist anders

Anders die Lage in der Schweiz: Die Credit Suisse (CS) ist schon lange in den Schlagzeilen. Skandal um Skandal, Problem um Problem reihensich seit Jahren aneinander. Das zerrt seit langem am Vertrauen der Kunden und der Aktionäre – wie der Aktienkurs der letzten fünf Jahre eindrucksvoll zeigt.

Seit Monaten (!) kämpft das Haus weltweit mit Geldabflüssen. Der Bankvorstand der CS beruhigte noch vor etlichen Wochen, dass das Phänomen gestoppt sei. Aber dies war wohl nicht die ganze Wahrheit, das Vertrauen in die Bank blieb angeschlagen.

Die jüngsten Turbulenzen in den USA sorgten nun dafür, dass „Öl ins Feuer“ gegossen wurde. Immer mehr Kunden – meist außerhalb der Schweiz - zogen ihr Geld ab. Die Schweizer Nationalbank sagte zur Stabilisierung Stützungsbeträge in Fremdwährungen zu. Aber das beruhigte die Lage nur kurz. Die Geldabflüsse gingen weiter. Das bittere Fazit: Das Vertrauen war unwiederbringlich zerstört.

Folgen nicht abschätzbar

Diese massive Schieflage der Credit Suisse war für das Finanzsystem und die Kapitalmärkte ein sehr ernstzunehmendes Problem. Die Bank ist weltweit vernetzt und ein Ausfall dieses Instituts hätte weitreichende Folgen. Diese waren aufgrund der starken Vernetzung der globalen Finanzindustrie und Wirtschaft nur schwer abzuschätzen.

Die gute Nachricht ist deshalb: Der Schweiz ist es gelungen, in kurzer Zeit die Lage zu stabilisieren und zu beruhigen. Bereits jetzt erkennen wir anhand der Finanzmarktdaten, dass Ruhe einkehrt.

2008 war anders

Um es zu betonen: In der Finanzkrise 2008 waren die Bilanzen der Banken mit „toxischen“, am Ende wertlosen Wertpapieren bestückt. Es ging um einen Totalverlust von verbrieften Rechten. Jetzt sorgt der Zinsanstieg dafür, dass substanziell sichere Anleihen temporär an Wert verloren haben. Dies ist eine völlig andere Art des Problems, das für die Bankenaufsicht nicht überraschend kommt. In diversen Banken-Stresstests wurden die Auswirkungen bereits berechnet und zum Teil auch höhere Eigenkapitalforderungen an die betreffenden Banken gestellt. Zudem wurde auch aus der Finanzkrise 2008 gelernt – wie ebenso aus den aktuellen Problemen Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen werden.

Das alles bedeutet nicht, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen nicht weitere Meldungen über Schieflagen bei der einen oder anderen Bank aufgrund des hohen Zinsniveaus hören werden. Aber dies ist für die Notenbankein relativ leicht zu lösendes Problem: Sie nimmt von den Banken die im Kurs stark gefallenen Staatsanleihen zum Nennwert als Sicherheit und übernimmt damit quasi die Kursverluste, die sonst die Bank getragen hätte. Dieses Prozedere ist bereits initiiert. Die Bank trägt im Gegenzug die anfallenden Zinskosten.

Ein eigener Sache: Totalverluste haben anderes

Noch einmal zur Credit Suisse: Einen schmerzhaften Totalverlust mussten Investoren hinnehmen, die ihr Geld in spezielle Nachrang-Anleihen der Bank investiert hatten (die auch in diversen Rentenfonds zu finden waren). Solche Bankenanleihen sind nicht Bestandteil einer von uns entwickelten Vermögensverwaltung. Der wissenschaftlich basierte, breit diversifizierte Ansatz vermeidet solche – am Ende nicht kalkulierbaren – Risiken.

Dr. Jörg Richter, CFP, CEP, CFEP