13.11.2024
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ZWISCHENRUF

Nach der Wahl und vor der Wahl

Nach der Wahl und vor der Wahl

Die US-Wahl ist entschieden. Donald Trump wird der künftige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Dieses Votum wird Auswirkungen haben, die auch in Europa und in der übrigen Welt zu spüren sein werden. Zugleich ist die „Ampel-Regierung“ in Deutschland nun Geschichte. Wir Deutschen werden im neuen Jahr an die Wahlurnen gebeten, um über die künftige Regierung abzustimmen. Beide Ereignisse bedeuten Bewegung und natürlich auch Unsicherheit über das, was auf uns in den nächsten Monaten wartet. Eine Einordnung von Dr. Jörg Richter, CFP, CEP, CFEP.

Wenn wir mit etwas Distanz auf die Ereignisse schauen, zeigt sich dieses Bild:

1) Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten war von den US-Investoren mehrheitlich erwartet worden. Die Wall Street war schon im Vorfeld positiv gestimmt. Ein starker Rückgang wäre zu erwarten gewesen, wenn die Demokraten das Rennen gemacht hätten. Die – vom Kapitalismus geprägten – US-Investoren gehen davon aus, dass der neue Präsident für Steuersenkungen und damit für höhere Gewinne der US-Firmen sorgen wird. Entsprechend euphorisch reagierten die amerikanischen Börsen auf den klaren Wahlsieg von Donald Trump.
2) Das Motto „America first“ wird sich sicherlich auf die Wirtschaftsbeziehungen zu China, dem wahren „Gegner“ der US-Wirtschaft auswirken. Wirtschaftliche Maßnahmen seitens der USA gegen China werden zu Gegenreaktionen der Chinesen führen. Höhere Einfuhrzölle werden ebenso mit Sanktionen beantwortet. Allerdings kommt dies – anders als bei der ersten Amtsperiode von Donald Trump - diesmal nicht überraschend. Wir können davon ausgehen, dass die Regierung in Peking sich längst auf ein solches Szenario eingestellt hat.

Deutschland leidet

3) Die Leidtragenden eines solchen Konflikts werden vermutlich eher Europa und insbesondere Deutschland als Exportnation sein. Donald Trump könnte in seiner ihm eigenen Art von Europa verlangen, sich zu positionieren: Für oder gegen die USA. Dies trifft auf eine äußerst fragile deutsche Wirtschaft und ein schwaches, weil nicht mit einer Stimme sprechendes Europa.
4) Wesentliche Teile der deutschen Politik und der Gesellschaft wollen nicht wahrhaben, wie es tatsächlich um die deutsche Wirtschaft steht. Die Prioritätensetzung der letzten Regierungen haben zu einer nachhaltigen Absenkung der Wirtschaftskraft geführt. Anders als in den letzten Jahrzehnten ist diese aktuelle Schwäche nicht temporär (wie sie immer in Wirtschaftsverläufen vorkommt), sondern strukturell. Die Liste der strukturell wirkenden Faktoren ist lang: fehlende Arbeitskräfte, hohe Sozialausgaben, zu wenig Anreiz für Arbeit, veränderte Leistungsbereitschaft, neue Lebenskonzepte, demografische Effekte, Bildungsniveau der jungen Generation, relativ hohe Energiekosten, Investitionsstau in der Infrastruktur, steigende Rentenausgaben, neue Bedrohungsszenarien etc.

Geopolitische Spannungen

5) Lösen wir unseren Blick wieder von Deutschland, sehen wir die geopolitischen Risiken. Diese haben sich durch die Ereignisse der letzten Wochen nicht verändert. Der Nahe Osten ist weiterhin ein „Pulverfass“ mit hohem Eskalationspotenzial, China und Taiwan bleiben im Disput, Russlands Bestreben, mit kriegerischen Mitteln zu expandieren, ist ungebrochen. Die Weltgemeinschaft hat offensichtlich wenig Optionen, kraftvoll zu antworten. Die „Friedenstaube“ erscheint schwach, der „Falke“ dagegen stark.
6) Und dennoch: Die Weltwirtschaft ist trotz allem gut unterwegs. Die geopolitischen Risiken finden an den Kapitalmärkten derzeit wenig Beachtung. Die „Musik“ spielt zudem immer mehr in den asiatischen Regionen. Die dortigen Schwellenländer wie Indien oder Indonesien stehen dort, wo China vor 20 oder 30 Jahren gewesen ist. Diese großen Wachstumspotenziale geben der globalen Wirtschaft weiterhin Schwung.

Es wird lauter

Was ändert sich? Es wird wohl wieder „lauter“ werden als in den letzten 4 Jahren. Was genau der US-Präsident plant, ist unklar. Seine Botschaften werden für Aufsehen an den Kapitalmärkten sorgen und damit für größere Schwankungen nach oben und unten. Doch dies muss niemanden erschrecken, denn das Wesen der Aktienmärkte ist ihr „Atmen“, das Auf und Ab der Aktienkurse.

Mittelfristig kommt ein bekanntes Thema wieder neu auf den Tisch: Die Staaten verlassen den Pfad einer umsichtigen Haushaltsführung, es wird sich weiter verschuldet. Die Politik Donald Trumps wird die amerikanischen Staatsschulden – dies ist die einhellige Meinung der Volkswirte - in neue Höhen führen. Da „seine“ Partei im Senat und Repräsentantenhaus die Mehrheit hat, kann er „durchregieren“. Doch wann ist die Grenze des Tragbaren erreicht? Wann geht das Vertrauen der Marktteilnehmer verloren, dass die Schulden noch bedient werden?

Noch Bestnote

Deutschland hat als Schuldner die Bestnote AAA. Die Politik steht vor einem kaum lösbaren Dilemma. Massive Investitionen sind nötig, aber die verfassungsmäßige Schuldenbremse „bremst“ wirkungsvoll, um ausreichend agieren zu können. Es mag etwas überheblich klingen: Auch der letzte verantwortliche Politiker wird irgendwann einsehen müssen, dass die aktuelle Regelung auf Dauer nicht bestehen bleiben kann. Denn es kommt in den nächsten 10 Jahren zum Schwur: Entweder Rentenkürzungen oder mehr Staatsschulden.

Das deutsche Rentensystem ist nicht kapitalgedeckt, sondern ein Generationsvertrag. Dass in 6 Jahren (im Jahr 2030) zwei Rentner von drei Beitragszahlern versorgt werden müssen, wissen wir schon seit mindestens 20 Jahren. Die Einnahmen der Rentenkassen reichen nicht, um die laufenden Renten zu bedienen. Der Steuerzahler muss seit Jahren subventionieren. Dieser Anteil wird immer größer, die Schuldenbremse würde über kurz oder lang zu einer Leistungskürzung bei den Rentnern führen. Da Rentner zugleich die größte Wählergruppe werden (sie sind ja die Generation „Babyboomer“), lässt sich heute schon erkennen, wer am längeren politischen Hebel sitzt.

Es gibt Grund zur Hoffnung

Vielleicht sind die neuesten Entwicklungen der letzten Tage sogar gut für Europa und Deutschland. In Krisenzeiten war in der Vergangenheit zu sehen, dass auch in Europa neue Wege gegangen werden können. Insoweit ist zu hoffen, dass sowohl die Wahl Donald Trumps als auch die Neuwahlen in Deutschland eine Entwicklung zum Guten bedeuten. Die Risiken sind ohne Frage nicht zu übersehen, aber der angelsächsische Begriff „risk“ (Risiko) ist nicht so eindimensional wie das deutsche Wort „Risiko“. Die englische Sprache verbindet damit auch „Chance“, die sich aus der Unsicherheit über die Zukunft ergibt.

Wir leben nicht dort, wo wir investieren!

Abschließend möchte ich daran erinnern, dass wir unterscheiden: Wo leben wir? Und: Wo investieren wir?

Der kritische Blick auf die Entwicklung in Deutschland ist das Eine. Die Kapitalanlage sollte dagegen weltweit investiert sein. Deutschland spielt im Portfolio eine sehr untergeordnete Rolle. Die DR-RICHTER-Strategie bleibt im Einklang mit meinem Partner Dr. Andreas Beck unverändert: Weltweit investieren und abschöpfen, was der weltweite Kapitalmarkt an Renditen hergibt.